Still wie ein Berg

Tagtäglich trifft jeder von uns große und kleine Entscheidungen, steht vor großen und kleinen Problemen. In vielen Fällen helfen uns unsere Erfahrungen und systematischen Problemlösungstechniken, wie sie auch in Esso Trainingskursen gelehrt werden. Wie ist es aber, wenn neue oder komplexe Probleme auf uns zukommen, für die wir noch keine Erfahrung, noch keine Muster haben? Auch ein Teil der einseitig ökonomischen Programme der 80er Jahre wurden so zu Ursachen der heutigen oder zukünftigen Probleme. Frederic Vester meint dazu: "Wir müssen lernen, ganzheitlich, vernetzt, kybernetisch zu denken, wenn wir die Probleme der Zukunft überhaupt noch begreifen, geschweige denn "lösen" wollen. Das Seminar "Kreative Problemlösung" bietet uns die benötigten "Denkbrücken" in die Zukunft an.

Neu und anders sehen

Der Titel dieses Seminars ist bereits Programm. Und in diesem Sinne ist "Kreativität" die Verknüpfung bekannter Wissenselemente zu bislang unbekannten Kombinationen (Guilford, Vater der Kreativitätsforschung). Kreativität ist die Fähigkeit, Alltägliches und Gewohntes neu, anders zu sehen, bestehende Ordnungen und gesicherte Werte aufzuheben. "In diesem Sinn kann jeder von uns kreativ sein'", so Peter Schmitt, "wenn es ihm gelingt, den Panzer der Gewohnheit und des rationalen Denkens zu durchbrechen." "Problemlösungen" ist die zusammenfassende Bezeichnung beim Bearbeiten von Denkaufgaben, die nicht bloße Anwendung früherer Erfahrung, sondern neuartige Strategien erfordern.

Das Training, das Peter Schmitt, Verhaltenstrainer im Partnertraining unseres Tankstellengeschäfts im Auftrag von ZPE an zwei Terminen im März den Teilnehmern bot, brachte "Lust am Lernen". In diesem Training werden von Peter Schmitt weniger Fertigkeiten vermittelt, die nach vorgegebenen Lernzielen und Aktionsplänen abgehakt werden können. Im Mittelpunkt dieses Seminars steht die Sensibilisierung und Verbesserung unserer Fähigkeiten zur Kommunikation, Integration und Konfliktlösung, um durch offenes, teambereites Verhalten die Grundlagen für unblockiertes, kreatives Denken zu legen. Alles, was hier geschah, war sehr locker und gab Teilnehmern Sicherheit, sich auf ungewohnte Wege zu begeben und "geistige Trampelpfade" zu verlassen.

Dieses Seminar ist in fast allem ungewöhnlich. Das beginnt am Seminarraum, dessen optische und musikuntermalte Ausstattung eigentlich erst gar keine, wenn es so etwas bei uns geben sollte, "Seminar-Phobie' aufkommen läßt. So werden auch in der Vorstellungsrunde eingefahrene Wege verlassen. Aus einer Fülle von ausgelegten Sinnsprüchen sollte sich jeder Teilnehmer einen heraussuchen, der für ihn Bedeutung hat und erläutern, warum er gerade den Spruch gewählt hat. Zusammen mit einer bildhaften Skizze stellten sich dann die Teilnehmer ihren Mitstreitern vor. Dabei wurde relativ wenig über die "ESSO bezogenen" Personendaten und Werdegang, aber viel über Leben, Ziele und Wünsche gesprochen. Ein Auftakt, der allen gefallen hat.

Theoretischen Unterbau lieferte Peter Schmitt mit seinen Erklärungen über die Funktion des menschlichen Gehirns. Während die rechte Gehirnhälfte intuitive, bildhafte, emotionale Eindrücke verarbeitet, ist die linke Hälfte für rationale Denkprozesse zuständig. Im Berufsleben haben wir gelernt, vor allem unsere linke Gehirnhälfte arbeiten zu lassen. Ein ganzheitliches Denken bewußt zu fördern, d.h. beide Gehirnhälften zu nutzen und sich ergänzen lassen, bedeutet, Kreativität zu fördern, unser Gedächtnis zu stärken und Probleme schneller und besser zu lösen.

Probleme erkennen setzt Wahrnehmungsfähigkeit voraus. Jeder Mensch hat seine eigene Art, die Welt um sich herum wahrzunehmen und zu interpretieren. Es gibt Menschen, die "sehen" etwas auf sich zukommen, andere wiederum "hören" bereits die Flöhe husten, anderen "schmeckt" diese Situation nicht und schließlich soll es auch Kollegen geben, die sich nicht "riechen" können. Das zu wissen und beim Problemlösen zu beachten ist wichtig, wenn es im Team oder in Konferenzen um problematische Denkansätze geht. Sonst ist die Gefahr groß, daß sich die Teilnehmer nicht verstehen und aufgrund einer unzureichenden Wahrnehmung einer Situation auch zu einem unzureichenden Lösungsansatz kommen. Daher ist es wichtig, daß Probleme, die gemeinsam gelöst werden sollen, auch so lange diskutiert werden, bis jeder sie verstanden hat. "Schon Einstein fand heraus, daß das Formulieren eines Problems oft wichtiger ist als seine Lösung. Tritt z. B. bei der Produktion eines Apparates eine undichte Fuge auf, so kann der Produktionsleiter das Problem als ein "Fugenabdichtungsverbesserungs-Problem" beschreiben, er kann das Problem aber auch ganz anders formulieren und sich fragen, warum überhaupt dieser Apparat mit Fugen und nicht in einem Stück hergestellt wird.

Ein Problem, so Peter Schmitt, wird erst dann zu einem Problem, wenn die Art der Problemformulierung und dadurch die Art der Betrachtungsweise zu einer blockierten Denksituation führt. Denktechniken helfen hier weiter - z.B. Umkehrung der Frage, anstelle "wie verhindere ich Ladendiebstahl?" "Wie mache ich den perfekten Ladendiebstahl?" Und schon ergeben sich aus dieser neuen Sichtweise neue Anregungen und damit Ideen.

Nach verschiedenen Übungen und Gruppenpräsentationen war jedem Teilnehmer klar, wie wichtig es ist, ein Problem erst einmal richtig darzustellen, zu klären, zu formulieren und dabei auch den Mut aufzubringen, gewohnte Denkmuster umzuwerfen und Dinge auf den Kopf zu stellen.

Das Training beweist, daß Kreativität das Ergebnis bestimmter Denk- und Verhaltensweisen ist und wir somit keine Kreativität lernen, sondern nur Denk- und Verhaltensweisen. Dabei lernen wir, unsere großen Wissensspeicher im Unter- und Vorbewußtsein mit für Problemlösungen zu nutzen. Da sich unser Unterbewußtsein nur bei völliger Entspannung ansprechen läßt, genießen wir mentale Entspannungsübungen und Phantasiereisen und nehmen unseren Körper durch "Tai-Chi-Übungen" auf neue Art wahr, doch darauf komme ich etwas später ausführlicher.

Einen breiten Raum des Trainings nimmt das Thema "kreative Ideenproduktion' ein. Verschiedene Techniken helfen unserer Kreativität auf die Sprünge. Als Stichworte seien hier nur "Brainstorming" "Brainwriting" und die alternativen Assoziations- und Bisoziationstechnik genannt sowie Analogietechnik, Morphologie und Mind Mapping.

Egal, welcher Technik man im einzelnen zuneigt, in jedem Fall ist es zunächst einmal wesentlich, ein Problem nicht nur zu erkennen, sondern es auch möglichst stark zu empfinden. In dieser Phase kommt es darauf an, so dicht an das Problem heranzukommen, daß man sich mit ihm identifizieren kann. Der nächste Schritt ist, sich möglichst weit vom Problem zu entfernen, sonst sieht man - wie der Volksmund sagt - den Wald vor lauter Bäumen nicht. Hilfreich ist dabei die Technik, beim Denken und Sprechen Bilder entstehen zu lassen.

Man kann nur in Begriffen denken, die man schon einmal erlebt hat und die man aussprechen kann. Problemlösungen sind demzufolge nichts anderes als neuartige Kombinationen bekannter Begriffe oder Elemente. Wir lernten mit Fähigkeiten umzugehen, die Kreativität fördern, wie z. B. offene und kritische Haltung, Selbstvertrauen, Mut zur Überwindung herkömmlicher Anschauungen und gewachsener individueller Denk- und Erfahrungsmuster, Risikobereitschaft, schöpferische Unzufriedenheit und Initiative. Voraussetzung: In Gruppenarbeiten und Präsentationen gab es reichlich Gelegenheit, neue Lösungsansätze zu entwickeln und uns Teilnehmer davon zu überzeugen. Permanentes Feedbackgeben und -nehmen rundete diese Übung ab.


Gruppe beim Einstimmen auf Tai-Chi-Übungen

Innere Ruhe setzt Kreativität frei

Eine Hilfe, bei der Förderung der Kreativität ist es, einen Zustand der Ruhe und Ausgeglichenheit, der Gelöstheit und Entspanntheit bei wachen und geöffneten Sinnen zu schaffen. Mit Tai Chi schaffen sich Chinesen Entspannung und Ausgeglichenheit und die Möglichkeit, zu sich selbst zu finden. So steht in den Tai Chi Classics "Be as still as a mountain' move like a great river". Das bedeutet soviel wie Kontinuität und Ausgewogenheit, Geschmeidigkeit und Wirksamkeit des Handelns können nu. aus einer inneren Ruhe und Festigkeit entstehen. Andererseits wird niemand den Qualitäten des Flusses widerstehen, der trotz seiner scheinbaren Widerstandslosigkeit durch seine Kontinuität alles mit sich fortnimmt.

Der philosophische Hintergrund basiert auf den sich bedingenden Ying und Yang. Die aktivierende Wirkung des Tai Chi, die durch Bewegung und Rhythmus den Atem spürbar macht, richtetDie beiden Hemisphären des Gehirns sich gleichermaßen an Körper und Geist. So heißt es in China "Tai Chi gibt Dir die Geschmeidigkeit eines Kindes, die Robustheit eines Holzfällers und die Gelassenheit eines Weisen". Ein Tai Chi-Lehrer trainierte mit den Teilnehmern des Seminars einige Entspannungs- und Wahrnehmungsübungen. Diese Philosophie von Tai-Chi ist eine große Hilfe in Diskussionen, Konferenzen, d.h. in jeder Form von Kommunikation. Ein Trainingsteil, der gerne angenommen wurde und zum kulinarischen Höhepunkt der Trainingstage überleitete.

"Kreatives Essen" lautete der abendliche Programmpunkt. Es war allerdings eher der Koch, der sogar bei der Benennung der Gerichte seine Phantasie hatte spielen lassen. Die Teilnehmer genossen das Mahl und der anschließende Besuch in der Küche des Meisterkochs brachte für Interessierte einen weiteren Kreativitätsschub. Dieser war für den darauffolgenden Tag auch nötig.

In Gruppenarbeit gesammelte Ideen zum Thema "Wie kann ich Grönland für den Tourismus erschließen", mussten strukturiert und in überzeugender Aufbereitung präsentiert werden. Die Bewertung der verschiedenen Vorstellungen bildete den Abschluß des über fast drei Tage laufenden Trainings. Zu guter Letzt versuchte noch jeder, eine rohe Kartoffel mit dem Strohhalm zu durchstoßen. Was zunächst unmöglich schien, klappte überraschenderweise.

Resümee

Ein Training, das Mut macht eingefahrene Pfade zu verlassen, das mengenweise Aha-Erlebnisse hervorruft, das das Bewußtsein um das eigene Ich schärft, nach dem Motto "Erkenne Dich selbst". Darüber hinaus werden handfeste Techniken vermittelt, die ermuntern, auf neuen Wegen Probleme kreativ zulösen. 'Ka'