Vertrauen schlägt Preis

"Die Besten gewinnen - als Freunde, Mitarbeiter; Kunden" war Thema der Arbeitstagung 2001 der Gesellschaft für Betriebswirtschaft im Maler- und Lackiererhandwerk in Weimar Das Stichwort Vertrauen war der wichtigste Punkt im Referat von Peter Schmitt - und die damit verbundene Frage, wie man damit Kunden gewinnt und bindet.

Sie kennen das Gefühl: Sie führen ein "Face-to-Face-Gespräch", wollen sich auf Preis, Konditionen und Lieferfähigkeit konzentrieren - aber etwas stört Sie an dem, was Sie von Ihrem Gegenüber wahrnehmen. Und diese Störung wird immer größer, lenkt Sie immer stärker von dem ab, was der andere spricht. Sie beginnen, sich plötzlich so sehr auf die Art, wie der andere zu Ihnen spricht und seine Mimik, wie er dabei Ihrem Blick ausweicht, zu konzentrieren, dass Sie dabei glatt die zusätzlichen 2% Nachlass überhören. Anstelle von "Vertrauen schlägt Preis", passt ebenso treffend: "Die Beziehungsebene dominiert die Sachebene" (Seminar-Teilnehmer lernen diese Erkenntnis von Prof. Dr. Paul Watzlawick in jeder Kommunikations-Veranstaltung).
Wenn bei allen Entscheidungen nur die Sache, also der Preis für den Kunden entscheidend wäre, wären wir alle nur noch Kunden bei Direktbanken, die keine Kontoführungsgebühren berechnen und würden ausschließlich die Fertig-Feinschmeckergerichte vom Sterne-Koch Eckart Witzigmann bei Aldi kaufen und nicht das Flair und Ambiente seines Restaurants genießen. Aber so rational, wie wir uns gern geben, sind wir Menschen nun mal nicht, und schon gar nicht, wenn wir Geld für das ausgeben, was uns wertvoll erscheint und uns Nutzen, Geltung, Prestige, Genuss oder auch nur schlicht Erhaltung verspricht. Zudem zeigten Untersuchungen im Einzelhandel, dass nicht der Preis der häufigste Grund ist, wenn Kunden nicht kaufen, sondern das Gefühl: "Man versteht nicht, was ich wirklich will oder brauche." Die Folgerung ist: "Wer sich nicht bemüht, mich zu verstehen, ist mir auch nicht sympathisch."

Vertrauen gewinnen

Das zu wissen und umzusetzen ist für Sie besonders wichtig, denn im Gegensatz zu einem Bäcker oder Autohaus verkaufen Sie als Malerbetrieb kein konkretes, greifbares Produkt, sondern ein abstraktes Dienstleistungsversprechen. Und genau diese Chance, Ihr Versprechen einzulösen, erhalten Sie nur, wenn der Kunde Ihnen die Lösung seines Problems auch zutraut, also wenn er zu Ihnen, Ihrer Persönlichkeits- und Fachkompetenz und der Kompetenz Ihres Teams Vertrauen hat.
Bevor ich einen Kunden überzeugen kann, muss ich ihn aber erreichen, muss seine Aufmerksamkeit, sein Interesse gewinnen, muss ihm auf seiner sprachlichen Ebene begegnen. Das ist keine Erkenntnis des modernen Marketings, sondern bereits vor 2000 Jahren vom Evangelisten Lukas erfolgreich angewandt: "Von nun an werdet ihr Menschen fangen" sprach er seine "Zielgruppe", die Fischer an, die er als Missionare gewinnen wollte. Übersetzt in unsere heutige Zeit bedeutet dies: Die Kunden dort abholen, wo sie mit Ihren Interessen, Erfahrungen und Ihrer Sprache zu Hause sind. Lukas vermied es, einfache Menschen wie die Escher mit Worten aus seiner Philosophenwelt zu verunsichern. So sagte er auch nicht: "Ihr müsst Eure Sozialkompetenz, Eure Authentizität und Kongruenz verstärken, um andere Menschen für meine Vision motivieren zu können". So konnte Lukas seine "Kunden" gewinnen und binden. Er besaß genügend Sozialkompetenz, um die Fischer als seine "Zielgruppe" auszumachen, Vertrauen aufzubauen, und die entsprechende Fachkompetenz, sie zu unterrichten. Daraus leite ich die Erfolgsformel ab: Sozialkompetenz plus Fachkompetenz = Kundenkompetenz.

Die drei Säulen der Kundenkompetenz

Wir können daraus schließen, dass die Art, mit Menschen erfolgreich umzugehen, also Kundenkompetenz zu entwickeln, auf drei Säulen ruht:

  1. Persönlichkeit: Selbstbewusstsein, Präsenz, Sympathie
  2. Menschenkenntnis: Wahrnehmung, Empathie Voraussetzung, um Erwartungen, Motive der Kunden zu erkennen
  3. Kommunikation: Um mit Sprache und Körpersprache, die "echt" (authentisch) und deckungsgleich (kongruent) sind, sich ergänzen und nicht widersprechen, erfolgreich zu beraten und zu verkaufen

Weil wir mit diesen drei Faktoren am stärksten und nachhaltigsten auf die Gewinnung und Bindung von Kunden einwirken, will ich in diesem Beitrag auf andere, Ihnen bekannte, "vertrauensbildende Maßnahmen" wie: Werbung, Auswahl und Qualität der Produkte und Dienstleistungen, Betriebsausstattung, Zertifizierung nach ISO 9000, Qualitätsmanagement, Zuverlässigkeit bei Terminen und Preisen, Controlling, Referenzen, Zufriedenheitsgarantie, Reklamationsmanagement usw. nicht weiter eingehen.
Persönlichkeit, Menschenkenntnis und Kommunikation sind für Sie und Ihren Erfolg besonders wichtig, weil Sie als Malerbetrieb Ihren Kunden in einem sehr sensiblen, ja teilweise sogar intimen Bereich seines persönlichen Umfelds beraten, und weil es hier sehr stark um Geschmacksfragen, persönliche Einstellungen und Überzeugungen, vor allem aber um Wahrnehmung und Einfühlungsvermögen geht.
Es gibt im deutschsprachigen Raum Bibliotheken, die gefüllt sind mit "Erfolgsrezepten" wie Kunden zu gewinnen, zu behandeln, zu begeistern sind. Alle haben dabei mehr oder minder die gleiche Schwachstelle: Sie unterstellen, dass es "den" Kunden gibt, mit berechenbaren Wünschen, Bedürfnissen und Erwartungen, die nur darauf warten, dass der Verkäufer "in die richtige Schublade" seiner festgezurrten Erfahrung greift. Dazu passt die Analogie: "Lass' dir aus dem Wasser helfen, oder du wirst ertrinken" sprach der freundliche Affe und setzte den Fisch auf einen Baum.
In der Medizin ist Vertrauen, das der Patient dem Arzt entgegenbringt, die Basis für Heilung und Erfolg. Dieser "Placebo-Effekt" gilt ebenso für unser Verhältnis zu unseren Kunden.

Säule 1: Persönlichkeit

Persönlichkeit ist ein Produkt aus angeborenem Temperament und angelerntem Charakter (= auch unsere Mentalität), also aus Biologie und Psychologie. Vertrauen bzw. Misstrauen ist angelernt, sozusagen Teil unseres Sozialisierungsprogramms und damit Teil unseres Charakters.
Unsere Fähigkeit, anderen zu vertrauen wird im Säuglingsalter gebildet, oder auch nicht. Je nach dem, wie wir als Säuglinge unsere Umwelt und Fürsorge oder das Chaos erleben, lernen wir zu vertrauen oder anderen zu misstrauen. So wurden wir alle konditioniert, zwischenmenschliche Signale nach "freundlichen" oder "feindlichen" Absichten abzuklopfen. Und nichts kann uns mehr verunsichern als wenn jemand freundliche Worte spricht, sich dabei aber körperlich von uns abwendet (Inkongruenz, Nicht-Übereinstimmung, die wir als Verunsicherung oder gar als Bedrohung erleben).
So geht es auch mit unserem Selbstvertrauen: Wenn ich an mich glaube, meinen Gefühlen und meiner Wahrnehmung vertraue, mir etwas zutraue, spürt das auch mein Gesprächspartner, mein Kunde. Ein Vertrauensverhältnis ist eine zwischen-menschliche Beziehung, die auf Vertrauen beruht. Und wenn ich mit jemanden vertraut bin, dann "kann ich mit ihm oder ihr gut", dann stimmt die Chemie! (Das hat dann auch etwas mit biomagnetischen Schwingungen zu tun, die uns zu einem Menschen hinziehen oder von ihm abstoßen).
Vertrauen ist nicht rein verstandesmäßig zu begründen, aber da wir wissen, dass 80% aller Aussagen aus dem Gefühl heraus entschieden werden und nur 20% rational, wird die wachsende Bedeutung sichtbar, sich im Verkauf, der Beratung und Mitarbeiterführung verstärkt mit dem Thema Persönlichkeit und Sozialkompetenz und vor allem der Menschenkenntnis zu beschäftigen.

Säule 2: Menschenkenntnis

Wir alle sind in unserem Job erfolgreiche "Sachverständige", aber sind wir auch erfolgreiche "Menschenverständige?" Wie oft haben wir uns schon vorgenommen, den anderen vorurteilslos wahrzunehmen. Und wie oft mussten wir schon erleben, dass andere andere anders beurteilen? Gelingt es Ihnen, den "ersten Eindruck" erfolgreich zu gestalten und den Kunden für sich einzunehmen, was entscheidend dafür ist, ob Sie Ihm "sympathisch" oder "unsympathisch" sind?
Menschenkenntnis setzt Selbstkenntnis voraus, weil a) Menschenkenntnis den Vergleich benötigt und b) ich wissen muss, dass ich bei der Beurteilung anderer Menschen nie nach objektiven Maßstäben urteile, sondern nur nach meinen eigenen. Man erhebt sich in aller Unschuld, mit seinem Verhalten zur Norm. Was davon abweicht, ist nicht "normal". Ich übersehe dabei, dass andere mit einer anderen Biografie, anderer Erfahrung, Toleranz und anderen Vorlieben sich in der gleichen Situation anders verhalten und anders entscheiden.
Hinzu kommt, dass sich meine Vorurteile aus meinen Stärken und Schwächen herausbilden. Wenn ich selbst gern rauche oder gesellig bin, bevorzuge ich Menschen, die dies mit mir teilen, und finde sie "sympathisch" - bei Menschen, die gerne Bücher lesen oder Kreuzworträtsel lösen, fällt mir wenig ein. Das können wir uns bewusst machen, bevor wir Menschen in eine Schublade stecken oder gar ablehnen und uns damit vorschnell um menschliche und vor allem geschäftliche Chancen bringen.
Aus unseren Erfahrungen bilden wir Urteile, die sich, wenn wir sie nicht mehr mit der Realität abgleichen, leicht zu Vor-Urteilen verhärten. Diese Vorurteile wirken einmal wie Filter, die nur noch die Signale unseres Gesprächspartners durchlassen, die zu dieser Erfahrung passen. Veränderungen im Verhalten des anderen werden so nicht mehr wahrgenommen. Denn diese Vorurteile sind es auch, aus denen sich unsere Erwartungen bilden, die über das entscheiden, was wir wahrnehmen und wie wir uns verhalten. Einfacher ausgedrückt: Bei einem mir unsympathischen Gesprächspartner konzentriere ich mich bei jeder Begegnung fast automatisch auf negative, meine Vorurteile bestätigende Signale seiner Sprache, Körpersprache und seines Verhaltens ("selbsterfüllende Prophezeiung"). Unterbrechen Sie diesen Kreislauf, indem Sie sich vor dem Gespräch einmal bewusst darum bemühen, 10 bis 20 positive Eigenschaften von dem vermeintlichen "Unsympath" aufzuschreiben. Sie werden über die Wirkung, dass Ihnen Ihr Gesprächspartner dieses Mal so "verändert" in seinem Verhalten vorkommt, selbst überrascht sein. So bekam ich schon oft nach Verkäufer-Seminaren Rückmeldung von Teilnehmern, dass sogar "Ekelpakete" von Kunden geradezu liebenswert freundlich empfunden verhalten hätten.

Säule 3: Kommunikation

Kommunikation bedeutet, dass wir etwas von uns geben und etwas von dem wahrnehmen, bewerten, interpretieren, was der andere sagt und zeigt - und vor allem wissen, wo Kommunikationsfallen lauern. "Man kann nicht nicht kommunizieren" (Prof. Watzlawick), auch wenn wir schweigen, signalisieren wir dem Gegenüber eine ganze Menge. Und wenn Sie über andere etwas sagen, teilen Sie stets auch unbewusst eine ganze Menge über sich selbst mit, über Ihre Einstellungen und Erfahrungen, und Ihr Körper zeigt, wie Sie sich dabei fühlen. Beispiel aus der Praxis: Hören Sie heraus, was der Kunde eigentlich meint, wenn er sagt: "Das ist aber teuer". Sie haben zwei Möglichkeiten zu reagieren:
Falsche Reaktion: Sie suchen nach billigeren Materialien, das Geschäft ist geplatzt. Der Kunde fühlt sich unterbewertet, Sie trauen ihm dieses Wertvolle nicht zu. Richtige Reaktion: Sie stimmen Ihrem Kunden zu, denn er freut sich! Er ist über sich selbst erstaunt, was er sich da gerade Wertvolles leisten will. Er drückt damit Stolz aus, sein Zwischenhirn, dort wo das Bedürfnis nach Status und Anerkennung sitzt, jubelt. Der Kunde entdeckt sich selber als Besonderheit! Ich möchte nicht wissen, was Sie von einem Handwerker halten, der Ihnen in Ihrem Haus etwas Billiges vorschlagen würde.
Sagt der Kunde aber: "Das ist zu teuer", dann fragen Sie zurück, "Zu teuer, im Verhältnis wozu." Eine Gegenfrage ist besser als Preisrechtfertigungen, denn wer sich rechtfertigt, klagt sich an. Wenn der Kunde sagt: "Geht's auch billiger?" antworten Sie: "Worauf wollen Sie verzichten?"
Authentische Kommunikation bedeutet, mit offener Wahrnehmung, Übereinstimmung in Denke, Sprache und Körpersprache Vertrauen aufzubauen und damit erfolgreich zu beraten. So sorgen Sie dafür, dass das, was Sie anbieten können, auch beim Kunden so ankommt und richtig verstanden wird. Sie als Malermeister haben eine andere Diskurswelt, als ein Arzt oder ein Kfz-Ingenieur. Mit der Kommunikation können Sie Brücken oder Mauern zu anderen Menschen bauen. Sie können auf gleicher Ebene kommunizieren oder von Ihrer fachlich höheren Ebene herab mit dem Laien reden. Wie auch immer, Ihr Gesprächspartner wird darauf reagieren und sein Verhalten zu Ihnen daran ausrichten. Erst wenn das Gespräch ins Stocken geraten ist, wird Ihnen vielleicht die Erkenntnis kommen: "Beziehungsebene dominiert die Sachebene". Merke: Erst wenn Vertrauen aufgebaut ist, kann über Preise geredet werden.
Beachten Sie auch, dass wir alle evolutionsgenetisch geprägt sind, um unser Territorium zu verteidigen. Hüten Sie sich davor, am Verhandlungstisch mit weit ausholenden Armbewegungen oder mit üppigen Unterlagen das Tisch-Hoheitsgebiet Ihres Gesprächspartners zu verletzen. Solches Verhalten führt prompt zu Blockaden und entsprechenden Gegenreaktionen. Dagegen werden Sie Misstrauen erleben können, wenn Sie Ihre Unterlagen anstatt offen auf dem Tisch zu präsentieren mit beiden Händen abschirmen.
Haben Sie Mut, Ihre konventionelle Diktion des so genannten "Wissens-Managements" zu verlassen! Es wirkt ganz und gar nicht unseriös, wenn Sie Beispiele aus Ihrer Praxis in kreative, bildhafte Sprache fassen, oder anstelle fachlich korrekter Formulierungen persönliche Überzeugung artikulieren und statt detaillierter Information auch mal Unterhaltsames schildern.
Wir lernen mit und aus (Sprach-)Bildern am besten. Ein Beispiel: "Mit einem Auto kann man emotionale Defizite im soziografischen Umfeld kompensieren." In verständliches Deutsch übersetzt heißt das:
"Mit einem Auto kann man wunderbar seine Nachbarn ärgern". Denn den "Gelb-vor-Neid-" oder "Rot-vor-Wut-Nachbarn" kann sich jeder vorstellen, ein soziografisches Umfeld nicht. Bildhafte und fantasievolle Darstellungen sind Zugpferde der Erinnerung und Übersetzung für komplizierte Informationen. Machen Sie aus Ihrem Gespräch eine Mischung aus Sprachästhetik, Bildhaftigkeit, Authentizität und Infotainment.

Fazit

Vertrauen ist die Grundlage jeder Beziehung, jeder Bindung, die auf Persönlichkeit, Menschenkenntnis und Kommunikation basiert. Albert Schweitzer, Arzt und Kulturphilosoph, fasste es mit seinen Worten zusammen: "Vertrauen ist für alle Unternehmungen das Betriebskapital, ohne welches kein nützliches Werk herauskommt. Und Vertrauen setzt Selbstvertrauen voraus."